Statut der Konferenz

Statut der Konferenz
der Europäischen Verfassungsgerichte

Präsidentenrunde
Warschau
, 16./17. Mai 1999

 

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A. Präambel

Die Präsidenten europäischer Verfassungsgerichte und ähnlicher mit der Wahrung der Verfassungsmäßigkeit betrauter europäischer Institutionen, erklären im Bestreben, Erfahrungen über die Verfassungspraxis und Verfassungsrechtsprechung in einem gesamteuropäischen Kontext untereinander auszutauschen und zwischen diesen Gerichten und Institutionen einen regelmäßigen Kontakt zu pflegen, die Absicht, unter voller Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit und in gegenseitiger Achtung, wie bisher regelmäßig Fachkonferenzen zu veranstalten.

B. Statutenbestimmungen

I. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

§ 1
Name


Die Konferenz führt den Namen "Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte".

 

§ 2
Rechtsnatur


Die Konferenz beruht auf der gemeinsamen Absichtserklärung von Präsidenten europäischer Verfassungsgerichte und ähnlicher Institutionen. Sie entfaltet keine rechtsverbindlichen Außenwirkungen.

 

§ 3
Ziele


Die Konferenz veranstaltet in regelmäßigen Zeitabständen einen Kongress. Sie fördert die Information über die Arbeitsweise und Verfassungsrechtsprechung der Mitgliedergerichte, verbunden mit einem Gedankenaustausch über institutionelle, strukturelle und materielle Fragen aus den Bereichen der Staats- und Verfassungsgerichtsbarkeit. Die Konferenz bemüht sich ferner um die Förderung der Unabhängigkeit von Verfassungsgerichten als essentieller Bestandteil zur Wahrung und Durchsetzung von Demokratie und Rechtsstaat, bei besonderer Berücksichtigung des Schutzes der Menschenrechte, und unterstützt die Kontaktpflege unter den europäischen Verfassungsgerichten und vergleichbaren Institutionen.

 

§ 4
Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft untergliedert sich in

1. Vollmitglieder:

Vollmitglieder haben in allen die Konferenz berührenden Fragen ein volles Mitwirkungsrecht. Sie beteiligen sich nach Maßgabe des Statuts und der Konferenzordnung zu gleichen Teilen an den Kosten der Organisation und Durchführung des Kongresses.

2. Assoziierte Mitglieder:

Assoziierten Mitgliedern steht ein allgemeines Vorschlagsrecht, ein Recht auf Mitwirkung am Kongress und das Recht zur Erstellung und Einreichung eines nationalen Berichts zu den jeweiligen Fachthemen des Kongresses zu.
Assoziierte Mitglieder trifft keine generelle Kostenmittragungspflicht.
Das Nähere regelt die Konferenzordnung.

 

 

§ 5
Beobachter / Gäste


Die Konferenz kann zu ihren Veranstaltungen Beobachter und Gäste zulassen.
Das Nähere regelt die Konferenzordnung.

 

II. Abschnitt: Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft

§ 6
Erwerb der Mitgliedschaft


1.

a) Den Status eines Vollmitglieds können nur Verfassungsgerichte und ähnliche Institutionen innerhalb Europas erhalten, denen eine verfassungsgerichtliche Zuständigkeit, insbesondere im Bereich der Normenkontrolle, zusteht, die ihre gerichtliche Tätigkeit in richterlicher Unabhängigkeit aufgenommen haben und ausüben, sich demokratisch-rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem allgemeinen Schutz der Menschenrechte verpflichtet wissen. Hierbei ist auf die bisherige Praxis der Konferenz und des Europarates Bedacht zu nehmen.

 

b) Der Erwerb des Status eines assoziierten Mitglieds steht europäischen Verfassungsgerichten und ähnlichen Institutionen offen, die eine Vollmitgliedschaft entweder von sich aus nicht anstreben oder bei denen Aufnahmekriterien für den Erwerb des Status eines Vollmitglieds (bislang) nicht vorliegen.
 

2.

Aus jedem Land kann nur einer Institution der Status eines Vollmitglieds oder assoziierten Mitglieds zuerkannt werden.
 

3.

Ein Anspruch auf Aufnahme in die Konferenz besteht nicht.
 

4.

Der Antrag um Aufnahme in die Konferenz ist bei der "Präsidenten-Runde" schriftlich zu stellen und beim Vorsitzenden der "Präsidenten-Runde" einzureichen.
 

5. Dem Antrag sollen möglichst folgende Unterlagen beigefügt werden:

a) Rechtliche Grundlagen über die Errichtung und die Zusammensetzung der antragstellenden Institution sowie über die Berufung und den Status der Richter;

b) Art und Umfang der Rechtsprechungskompetenzen;

c) Nachweis über die tatsächlich praktizierte Rechtsprechungstätigkeit.
 

§ 7
Beendigung der Mitgliedschaft

1.

Jedes Mitglied kann seinen Austritt aus der Konferenz jederzeit erklären.
Die Austrittserklärung bedarf der Schriftform.
 

2.

Bei grundloser Nichterfüllung der gemeinsamen finanziellen Mittragungspflicht oder bei Vorliegen eines sonstigen wichtigen Grundes, der eine loyale und kooperative Zusammenarbeit zwischen der Konferenz und einem Mitglied nicht mehr erwarten lässt, kann dieses Mitglied seiner Mitgliedschaft für verlustig erklärt oder suspendiert werden.
Eine Suspendierung wegen Nichterfüllung der finanziellen Verpflichtungen dauert grundsätzlich solange, bis das Mitglied seine Verpflichtungen erfüllt.
 

 

III. Abschnitt: Organe

§ 8
Organe


Die Konferenz stützt sich auf folgende Organe:
1. Die Präsidenten-Runde;
2. Den Kongress.

 

§ 9
Präsidenten-Runde

1.

Zusammensetzung:

Die "Präsidenten-Runde" besteht aus den Präsidenten der Gerichtshöfe und Institutionen mit dem Status der Vollmitgliedschaft. Die Präsidenten werden vom Generalsekretär oder gebenenfalls von einem Mitglied oder einem ermächtigten Mitarbeiter ihres Gerichts begleitet.
 

2.

Zuständigkeiten:

Die "Präsidenten-Runde" ist das zentrale Initiativ- und Beschlussorgan und für folgende Angelegenheiten zuständig:

a) Aufnahme, Suspendierung und Ausschluss von Mitgliedern;
b) Zulassung und Ausschluss von Beobachtern und Gästen;
c) Festlegung von Zeit und Ort der in regelmäßigen Abständen stattfindenden Kongresse; Bestimmung der Fachthemen und Auswahl der Konferenzsprachen;
d) Genehmigung des Konferenzbudgets;
e) Festsetzung der Gebühren für die Teilnahme am Kongress;
f) Entscheidung über finanzielle Zuwendungen durch Dritte;
g) Verabschiedung eines Abschlusskommuniqués des Kongresses;
h) Erlass einer Konferenzordnung;
i) Änderung des Statuts;
j) Auflösung der Konferenz.
 

3. Vorsitz:

In der "Präsidenten-Runde" führt jeweils der Präsident des den nächsten Kongress ausrichtenden Gerichtshofes den Vorsitz.
Bei Behandlung einer Angelegenheit ohne direkten Bezug zur Vorbereitung des nächsten Kongresses kann die "Präsidenten-Runde" aus ihrer Mitte auch einen anderen Präsidenten zum Vorsitzenden bestimmen.
 

4. Zusammentritt:

Die "Präsidenten-Runde" tritt möglichst einmal zwischen den Kongressterminen sowie grundsätzlich am Vortage des bevorstehenden Kongresses zusammen.

Mit der schriftlichen Einladung ist gleichzeitig der Beratungsgegenstand (Tagesordnung) mitzuteilen.
 

5. Tagungsort:

Tagungsort für die Zusammenkünfte der "Präsidenten-Runde" ist regelmäßig der Sitz des für die Vorbereitung des nächsten Kongresses zuständigen Gerichtshofs. Die "Präsidenten-Runde" kann im Einzelfall einen anderen Tagungsort bestimmen.
 

6. Beschlussfähigkeit:

a) Die "Präsidenten-Runde" ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder in der Sitzung anwesend oder vertreten ist.
b) Ein Präsident kann sich in der Sitzung und bei der Abstimmung durch ein anderes richterliches Mitglied oder den Generalsekretär oder einen ermächtigten Mitarbeiter seines Gerichtshofs vertreten lassen.
 

7. Abstimmungsregeln:

a) Zu einer wirksamen Beschlussfassung in der "Präsidenten-Runde" bedarf es einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder.
b) Bei der Ermittlung der Mehrheit zählen Stimmenthaltungen als Ablehnung.
c) Jedem Mitglied steht nur eine Stimme zu.
 

§ 10
Kongress


Zusammensetzung:
Am Kongress nehmen teil die Vollmitglieder, die assoziierten Mitglieder, sowie die Beobachter und Gäste.
Das Nähere regelt die Konferenzordnung.

 

IV. Abschnitt: Finanzierung

§ 11
Finanzierungskonzept

1. Allgemeine Kostentragungsregelung:

Die Konferenz finanziert sich in erster Linie durch Entrichtung anteilig gleicher Kostenbeiträge der Vollmitglieder.
Länderinterne Vorschriften und Regelungen des innerstaatlichen Finanz- und Haushaltsrechts bleiben unberührt.
 

2. Sonstige Kosten und Finanzierung:

a) Von den Vollmitgliedern anteilig zu tragen sind die Kosten für die Organisation des Kongresses (insbesondere Miet-, Druck-, Übersetzungs-, Dolmetscher-, allgemeine Verwaltungs- und lokale Transportkosten sowohl für das Vorbereitungstreffen als auch den Kongress).
b) Die "Präsidenten-Runde" kann für assoziierte Mitglieder und Beobachter die Entrichtung einer besonderen Gebühr für die Organisation des Kongresses festsetzen. Deren Höhe soll unter Berücksichtigung der bestehenden anteiligen Kostenmittragungspflicht der Vollmitglieder dem finanziellen Kostenaufwand für die Leistungen Rechnung tragen, die von der Konferenz zugunsten der assoziierten Mitglieder und Beobachter erbracht werden.
Das Nähere regelt die Konferenzordnung.

c) Die Annahme finanzieller Zuwendungen jeder Art von dritter Seite bedarf der Einwilligung der "Präsidenten-Runde".
 

3. Konferenzbudget

Das organisierende Gericht erstellt möglichst bis spätestens 1 Jahr vor dem Beginn des Kongresses - ein Budget, das der Genehmigung durch die "Präsidenten-Runde" bedarf. 
 

4. Schlussabrechnung

Die endgültige Kostenstellung erfolgt auf der Grundlage einer vom organisierenden Gericht nach Beendigung des Kongresses zu erstellenden Schlussabrechnung.
 

§ 12
Schlusskommuniqué
und Öffentlichkeit

1.

Die "Präsidenten-Runde" kann zum Ende des Kongresses ein Abschlusskommuniqué verabschieden, das die im Kongress repräsentierten Verfassungsgerichtshöfe und Institutionen erwähnt und den Verlauf der Konferenz und die wesentlichen Ergebnisse der Fachdiskussion enthalten sollte.
 

2.

Die Fachdiskussion ist nicht öffentlich.
 

3.

Der Vorsitzende der Konferenz gibt gegebenenfalls unter Teilnahme weiterer Mitglieder aus der "Präsidenten-Runde" in einer abschließenden Pressekonferenz das Abschlusskommuniqué bekannt und erteilt den Vertretern der Medien (Presse, Hörfunk, Fernsehen) weitere Auskünfte.
 

§ 13
Sekretariat

Das Sekretariat der Konferenz befindet sich beim Gericht, welches den nächsten Kongress organisiert.
 

V. Abschnitt: Schlussbestimmungen:

§ 14
Inkrafttreten


Das vorliegende Statut tritt mit der Verabschiedung durch die versammelten Präsidenten in Kraft.
Es wird in französischer, englischer, deutscher, und russischer Sprache ausgefertigt.
In Zweifelsfällen geht die französische Version vor.

 

 

* * * * * * * * * *
 

Einstimmig angenommen in der Schlussabstimmung der " Präsidenten-Runde "
vom 17. Mai 1999 in Warschau.

Der im Jahr 1999 beschlossene Text des Statuts wurde 2012 sprachlich an die deutsche Rechtschreibreform angepasst.